Merry Joy Boyanne

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Badische Zeitung. Dienstag, 14. Januar 2003

„Überall Rollen gespielt.“

BZ – Interview mit der Autorin Merry Joy Boyanne



 

Badische Zeitung, Montag 17. März 2014, Seite 28

„Ich bin in meiner Seele afrikanisch –

LEUTE IN DER STADT: Die reisende Autorin Boyan Behrmann lebt seit 25 Jahren in Freiburg, am liebsten aber ist sie unterwegs



 

Badische Zeitung, Montag 17. März 2014, Seite 28

„Ich bin in meiner Seele afrikanisch “

„Ich reise immer alleine“, sagt Boyan Behrmann, „denn nur so erlebt man viel und ist offen für Begegnungen und Eindrücke.“ In wenigen Tagen wird die weltgewandte Autorin 75. Und ihre Lust aufs Unterwegssein, auf Begegnung, auf Orte und Menschen ist ungebremst. Dass sie über all die Jahre mit Heiterkeit und Mut das Nomadische in ihrem Leben erhalten hat, ist nicht selbstverständlich. Denn schon als Kind machte sie die trostlose Erfahrung, dass andere sie entwurzelten. Reisen war für sie nicht erwartungsvoller Aufbruch, sondern schlichtweg Angst.

Erst rückblickend verstand Boyan Behrmann, dass die irrwitzigen Zumutungen ihrer Kindheit und ihrer Jugend prägende Traumata waren: alleingelassen unterwegs und in unbekannter Umgebung fremd sein. Aufgeschrieben hat sie das alles Jahrzehnte danach in ihrem autobiographischen Buch „Maria - das Mädchen im Zug“. Maria heißt in ihrem echten Leben Boyan Karen Merry Joyce und wird mit acht Jahren von ihren deutschen Eltern in Hamburg tatsächlich in den Zug gesetzt. Ihr Vater schickt das völlig ahnungslose Mädchen nach Südafrika in das Internat einer Missionsschule. Sie ist während eines längeren Arbeitsaufenthalts der Eltern im südafrikanischen Durban geboren und hat als einzige in der Familie einen südafrikanischen Pass.

Die achtjährige Tochter soll also durch ihre Rückkehr den Weg ebnen für eine Einwanderung der Familie. „Diese Einwanderung fand dann aber gar nicht statt“, erzählt Boyan Behrmann. Was in ihrem Leben auch nie wahr wurde, war ein Gefühl von „Heimat“. „Ich hatte das nie“, beschreibt sie diese Abwesenheit von Verortung, „ich konnte nur spüren, wo ich mich wohlfühle.“ Ihr Glück und eines ihrer Talente ist, dass sie dieses Wohlfühlen unter allen Umständen herstellen kann: „Meine Unterkunft ist mein Refugium, egal ob für ein paar Jahre im nonnengeführten Internat, ob in der Wohnung in Dakar, in Buenos Aires oder im Gästezimmer in Sansibar.“ Das Refugium macht sie zu einer erquickenden Oase - nicht als designerschicke Umgebung, sondern als origineller Ort, an dem Wohlbefinden und Wonne zuhause sind.

Ohne diese Begabung, sagt Boyan Behrmann, hätte sie weder der ersten „Verschickung“ noch den weiteren Weisungen und Abweisungen standhalten können. Zum Beispiel dem Internat in England oder dem Jahr als Haushilfe in Chile. Schließlich lagen die elterlichen Demissionen hinter ihr - und sie reüssierte schon als 20-jährige beruflich: Sie wurde „Bodenchefin“ im Senegal - und hatte als Überlebenstechnik vor allem eines im Gepäck, sich anzupassen, um als Fremde in der Fremde nicht zurückgewiesen zu werden: „Diese Angst vor Zurückweisung zieht sich durch mein Leben.“ Zugleich war da aber auch die unerschrockene Offenheit, das Erkunden ohne Ressentiments - die Befreiung aus der Opferrolle schien gelungen.

In Dakar aber wartete ihrer erste Malaria. Und der Mann, den sie schließlich heiratete. Der Argentinier hatte sie „erwählt“, sie hatte Schuldgefühle - und erfüllte wie gewohnt die Erwartungen, die an sie gestellt wurden. Mit ihrer kleinen Tochter verließen die beiden nach sechs Jahren Dakar und zogen nach Buenos Aires - dort kamen in den folgenden Jahren ihre drei Söhne zur Welt. Ihren vier Kindern ein verlässliches Zuhause zu schaffen, war ihr größtes Anliegen - ihre eigene Kindheit in steter Verunsicherung sollte sich nicht wiederholen. Und doch verließ sie nach 25 Jahren ihren Mann und zog - bei Nacht und Nebel - mit ihrem Jüngsten nach Deutschland. Die anderen Kinder waren da schon erwachsen.

Menschen in ihrem Eigenwert bestätigen

Hier habe sie sich endlich aufgerichtet, hier habe sich endlich Selbstwertgefühl eingestellt: „Nach einem langen Weg des Funktionierens, um zu Überleben, habe ich endlich die Weichen anders stellen können - seither ist das mein Anliegen, Menschen in unterdrückten Lebenslagen in ihrem Gefühl für ihren Eigenwert zu bestärken.“ Die Entwertung von Menschen, die unterdrückt sind, muss man nicht hinnehmen, sagt Boyan Behrmann, egal ob Frauen oder Angehörige einer Rasse oder einfach Menschen, die mit ihrem Namen auffallen, weil sie aus einer anderen Region stammen. Um anderen Mut für ihren Eigensinn zuzusprechen, hat sie „Maria“ geschrieben. Und nie hat sie aufgehört, zu reisen und auf andere zuzugehen. „Wenn ich unterwegs bin, fühle ich mich am allersimpelsten und selbstverständlichsten als Kind dieser Erde.“ Am nächsten ist ihr Afrika. Vielleicht, weil sie dort einst zur Welt kam. Aber vor allem ist da eine Verbundenheit, sagt sie: „Ich bin in meiner Seele afrikanisch.“

Afrikanisches umgibt sie alle Zeit: Boyan Behrmann. FOTO: MICHAEL BAMBERGER

 

 

 

Badische Zeitung. Dienstag, 14. Januar 2003

„Überall Rollen gespielt.“

BZ – Interview mit der Autorin Merry Joy Boyanne


LITTENWEILER. Boyan Behrmann wurde als Achtjährige von ihren Eltern nach Südafrika geschickt, um der Familie die Einwanderung zu erleichtern. Nach dieser Erfahrung völlig entwurzelt, lebte sie nacheinander in England, Senegal und Argentinien. Inzwischen ist sie in Freiburg zur Ruhe gekommen und hat unter dem Pseudonym Merry Joy Boyanne ihre Erinnerungen aufgeschrieben.

BZ-Mitarbeiterin sprach mit ihr darüber.

BZ: Was hat sie dazu bewogen, ein Buch über ihre Geschichte zu schreiben?

Boyan: Es war mir ein Bedürfnis, das alles herauszuschreien. Jahrelang hatte ich geschwiegen und mich fremd bestimmen lassen, ich wollte endlich den Mund auf machen.

BZ: Wer hatte über ihr Leben bestimmt?

Boyan: Begonnen hat es mit meinen Eltern, die mich als kleines Mädchen unwissend in einen Zug gesetzt und weggeschickt haben. Ich war ein Brückenkopf in einem fremden Land. Als ich wieder zu ihnen kam, hatten meine Eltern ein schlechtes Gewissen und schickten mich weiter in die Schule nach England. Später folgte ich meinem Mann nach Argentinien und lebte dort für ihn und meine vier Kinder.

BZ: Wie sind Sie aus dieser Fremdbestimmung schließlich ausgebrochen?

Boyan: Ich habe gelernt, selbstbewusst zu sein und Selbstwert zu entwickeln, mich von meinem Mann getrennt und bin nach Deutschland gezogen. Dort musste ich erst einmal meine Identität kennen lernen. Wenn man sich in anderen Ländern einleben will, muss man seine Identität aufgeben. Wie eine Schauspielerin habe ich in jedem Land meine Rolle gespielt.

BZ: Haben Sie jetzt in Freiburg einen Ort gefunden, an dem Sie sich zu Hause fühlen?

Boyan: Ich bin nicht in Freiburg verwurzelt, aber ich habe gelernt, in mir selbst verwurzelt zu sein. Ich fühle mich wohl hier.

Merry Joy Boyanne liest am heutigen Dienstag um 20.15 Uhr im Schloss Ebnet aus ihrem Buch “Maria, das Mädchen im Zug”, erschienen bei Merch Movie Edition, 270 Seiten, 17 Euro.